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Wenn jedes Album eine Farbe hätte, bekäme dieses ein dunkles Grau mit hellgrauen Sprenkeln. Und vielleicht einem winzigen roten, ähnlich wie der bemalte Vogel auf dem Cover.
„Bad Old Songs“, das neue Album von Daniel Kahn & The Painted Bird, ist der dunkle, intimere Nachfolger des preisgekrönten „Lost Causes“ (Oriente Musik 2011).

Kahn-Kenner werden die einzigartige Mischung wiedererkennen, in der Kahn seine eigenen Titel mit außergewöhnlichen Coverversionen und Adaptionen zu einem stimmigen Gesamtwerk vereinigt. Eigenkompositionen wie Kahn's schneidende Ostalgie-Ballade „Good Old Bad Old Days“ (mit der er bereits das Degenhardtkonzert im Berliner Ensemble aufgemischt hat) und der Anti-Liebes-Blues „Love Lays Low“ treffen auf polyglotte Neuerfindungen jüdischer Volkslieder und Klassiker von Leonard Cohen und Franz Josef Degenhardt. Einen Höhepunkt erreicht Kahns Adaptions- und Interpretationskunst bei „Die alten bösen Lieder“, dem Gedicht von Heinrich Heine, von Robert Schumann vertont. Die beiden alten Herren werden vermutlich im Grab rotieren, aber vor Begeisterung. Kahn hat alte Lieder gesammelt und neue, die die Vergangenheit oder die Gegenwart verfluchen, er singt von enttäuschter Liebe, Leid und Elend, fehlgeleiteter Religiosität und ungewolltem Erbe. In den verwüsteten Grenzgebieten von Berlin, Detroit, New York und „Jiddischland“ angesiedelt, sind diese bösen, alten Lieder die Mitternachtsträume einer verlorenen Zeit, die noch kommen wird.

Und auch musikalisch wurde es intimer und persönlicher. Arrangements, die ihre Wirkung aufgrund von Intensität und nicht von Masse entfalten, keine Musikerfreunde und special guests, nur das gute alte „Painted Bird“-Quartett, das pochende Herz dieser außergewöhnlich intensiven CD, mit dem atemberaubenden New Yorker Geiger Jake Shulman-Ment, dem Berliner Schweden Hampus Melin am Schlagzeug und Tonkünstler Michael Tuttle am Bass, die als Rhythmusgruppe zu bezeichnen eine schamlose Untertreibung wäre, und schließlich Daniel Kahn selbst, Avantgardist und Traditionalist, Multiinstrumentalist und Minimalist, Prolet und Romantiker, rastloser Antreiber und Vor-Denker einer Gesellschaft, deren Zukunft wir in der Vergangenheit suchen müssen. Vorerst.

 

 

TRACKS:


Seite A:
1. A Meydl From Berlin (Trad./Kahn) 3:58
2. Love Lays Low (Kahn) 3:05
3. Good Old Bad Old Days (Kahn) 5:40
4. Die Alten Lieder (Degenhardt/Kahn) 3:32
5. Groys Dasad (Trad./Kahn) 3:49

Gesamtspielzeit Seite A: 20:04

Seite B:
1. Story of Isaac (Cohen, arr. Kahn/Shulman-Ment) 3:38
2. Godbrother (Kahn) 3:45
3. The Marriage Hearse/Umet Umetum (Shulman-Ment/Winograd/Kahn) 5:28
4. Die Alten Bösen Lieder (Schumann/Heine/arr. Kahn) 3:49
5. Olaria Olara (Savvopoulos/Kahn) 2:40

Gesamtspielzeit Seite
B: 19:34

 

Daniel Kahn: Gesang, Akkordeon, Gitarre, Klavier, Orgel, Ukulele
Jake Shulman-Ment:
Geige
Michael Tuttle:
Kontrabass
Hampus Melin:
Schlagzeug

Produziert, aufgenommen und gemischt im Sternenstaub-Studio (März bis Mai 2012) und im Monte Cruz-Studio (Mai 2012), Berlin-Kreuzberg von Thomas Stern
Gemastert von Doug Henderson, micro-moose-berlin


Veröffentlicht am 01.12.2012